Wie versprochen gibt es für euch heute das "Maskengold"-Special. Es ist -Trommelwirbel bitte - ein Zusatzkapitel, das den Namen "Romeo und Julia" trägt. Viel Spaß!
Ich hatte die Aula noch nie so voll gesehen. Schüler, Professoren und weitangereiste Mitglieder der Stadt hatten sich hier versammelt, um die Premiere unserer Adaption von Shakespeares „Romeo und Julia“ zu sehen. Auf den oberen Rängen hatte sich das Kollegium der Academy of Blood versammelt und mit ihm zusammen einige der ranghöchsten Mitglieder des Rates. Darunter auch mein Erzeuger Darian Deimos und mein Bruder Felix.
„Lampenfieber?“, ertönte hinter mir Paris‘ Stimme und ich drehte mich zu ihm herum.
„Ob ich was habe? Lampenfieber?“, lachte ich schrill. „Oh nein, ganz bestimmt nicht!“
„Du hast schon in viel volleren Theatern gespielt“, erwiderte mein Krieger und grinste mich dabei an.
„Ja, aber ich habe auch noch nie Liebesszenen mit einem Lehrer…“, setzte ich an und schaute zu Gabriel, der gerade aus der Umkleide kam.
Wie immer sah er einfach atemberaubend aus. Er hatte sich das blonde Haare zu einem Zopf zusammengebunden und trug ein weißes Hemd, das beinahe durchsichtig war und vermuten ließ, dass er darunter mehr als muskulös war. Ich wusste es natürlich besser, schließlich war er nicht nur mein Lehrer.
Ich spürte wie meine Wangen vor Verlegenheit anfingen zu glühen und wand mich zurück zu Paris. Na ganz toll, das fing ja super an.
„Tja, Little Witch“, antwortete Paris mit einem kecken Grinsen. „Viel Spaß.“ Er war mir einen zweideutigen Blick zu und wackelte mit den Augenbrauen. Paris war einer der wenigen, die von meiner Beziehung mit Gabriel Nyad wussten und liebte es diese nervigen Spitzen in meine Richtung zu verteilen.
„Wenn du nicht mein Krieger wärst und ich dich nicht über alles lieben würde, dann würde ich dir am liebsten eine scheuern“, sagte ich und knuffte ihn in die Seite.
Er lachte, wobei er den Kopf in den Nacken warf und sich den Bauch hielt.
„Da musst du erst mal ran kommen“, grinste er. „Schließlich überrag ich dich um anderthalb Köpfe.“
Ich ballte die Hand zur Faust und deutete spielerisch an, wie ich ihm einen Kinnhaken verpasste. Er taumelte zurück und hielt sich das Gesicht.
„Erbarmen, Erbarmen!“, rief er.
Unsere Rangelei weckte auch die Aufmerksamkeit von Gabriel, der auf uns zu kam und uns kritisch musterte. Dann sah er mich an und in seinen Augen stand so viel Liebe, das Schmetterlinge in meinem Bauch herumflatterten.
„Mr. Iapetus!“, schelte er ihn. „Auf Ihren Posten. Wir sind hier nicht zum Vergnügen, sondern zum arbeiten! Also hop, hop!“
Als Paris uns verlassen hatte, beugte er sich zu mir hinunter und flüsterte mit sanfter Stimme: „Aufgeregt?“
„Du hast ja keine Ahnung“, murmelte ich zurück und lehnte mich leicht zu ihm rüber. „Könntest du nicht ein bisschen hässlicher sein? Das würde mir die Sache wesentlich vereinfachen.“
Gabriel schnaubte amüsiert und strich mir eine Strähne meines rotbraunen Haares zurück, das sich aus der aufwendigen Hochsteckfrisur gelöst hatte.
„Ich hab mir dieses Aussehen nicht ausgesucht“, meinte er. „Ich wurde schon so geboren.“
Ich seufzte und rollte demonstrativ mit den Augen. Es ertönte ein Gong und wir lösten uns voneinander.
„Hop, hop, Professor“, wies ich ihn an. „Auf Ihren Posten. Es geht los!“
Er war mir diesen verführerischen Blick zu, der bedeutete, dass ich wohl nachher meine Abreibung für diesen frechen Kommentar kriegen würde. Ich zwinkerte und sagte: „Ich freue mich schon drauf.“
Ein paar Minuten später war ich auf meiner Position und beobachtete, wie sich der rote Vorhang hob. Es war, als könnte ich spüren, wie im gesamten Saal die Luft angehalten wurde. Ein Schüler mit braunen Haaren trat auf die Bühne und begann zu reden: „Zwei Häuser, gleich an Würde und Gebot, Euch in Verona unser Spiel entdeckt: Wie altem Hader neuer Hass entloht, Mit Bürgerblut sich Bürgerhand befleckt. Wie aus der Feinde unheilschwangerm Schoß – Unsternverfolgt – ein Liebespaar entspringt…“
Die weiße Wand, vor der der Schüler stand, wurde beleuchtet und man sah zwei Schatten, die einen Tanz aufführten, während der Junge weitersprach.
„Wollt Ihr es hör’n huldvollen Ohres – wisst: Wir bessern gern, was noch zu bessern ist!“
Mit diesen Worten wurde der rote Vorhang fallen gelassen und die Menge applaudierte. Der Schüler, dessen Namen Julius war, kam zu mir und lächelte. Seine Wanen waren feuerrot.
„Und wie war ich?“, fragte er atemlos.
„Super“, erwiderte ich und zeigte ihm den hochgestreckten Daumen. „Das war spitze!“
Währenddessen wurde die weiße Leinwand hochgezogen und das Bühnenbild des Marktes aufgestellt. Ich bereitete mich innerlich auf meinen Auftritt vor, aber es war noch Zeit. Erst einmal würden zwei weitere Szenen folgen.
Der Vorhang wurde wieder hochgelassen und zwei junge, gutaussehende Jungen traten auf. Sie spielten Simson und Gregorio, zwei Bedienstete der Capulets, die einen Streit mit zwei Dienern der Montagues anfingen. Es wurde ein Kampf auf der Bühne ausgeführt, ehe der Prinz auftrat. Und dann kam Gabriel. Er war einfach perfekt. Es kam mir vor, als wären die Worte Romeos nur so für ihn geschrieben wurden. Ich beobachtete ihn, wie er die Bühne für sich einnahm und musste lächeln. Ein vergeudetest Talent. So ging es weiter hin und her, bis ich zu meiner ersten Szene kam.
Die Wärterin, verkörpert von einem Mädchen mit rotem Haar, rief: „He, Lämmchen! zartes Täubchen! Dass Gott! wo ist das Kind? he, Juliette?“
Ich ging gemäßen Schrittes auf die Bühne, ignorierte dabei das helle Strahlen der Scheinwerfer und sah mich um. Dann fragte ich: „Was ist? Wer ruft mich?“
Im Publikum ging ein Gemurmel herum, als ich auftrat. Wir hatten es geheim gehalten, wer welche Rolle spielte und so musste es für die Zuschauer ziemlich überraschend sein, mich auf der Bühne zu sehen. Mich als Julia Capulet.
Es war die Szene, in der die Gräfin Julia erzählte, das Graf Paris, verkörpert von – wie konnte es auch anders sein? – Paris, Julia versuchte zu umgarnen. Es war eine recht langweilige Szene, aber sie erfüllte ihren Zweck und schließlich kam es zur bedeutendsten Szene des ersten Aktes.
Ich stand – gekleidet in einem schönen, weißen Kleid und einer Maske auf dem Gesicht, die mein halbes Gesicht verdeckte und meine Lippen frei ließ – in einer Ecke und beobachtete das rege Treiben auf der Bühne, wo drei Pärchen tanzten. Es war der Ball von Graf Capulet, auf dem Gabriel/Romeo mich zum ersten Mal sehen würde.
Und dann vernahm ich seine zärtliche, liebliche Stimme neben mir: „Entweihet meine Hand verwegen dich, O Heil’genbild, so will ich’s lieblich büßen. Zwei Pilger, neigen meine Lippen sich, Den herben Druck im Kusse zu versüßen.“
Mein Blick glitt auf ihn und ich sah den verzauberten Gesichtsausdruck, mit dem er mich anschaute. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen und ich wand scheu den Blick ab.
„Nein, Pilger, lege nichts der Hand zuschulden“, erwiderte ich und schaute wieder zurück zu ihm. „Für ihren sittsam-andachten Gruß.“
So ging es eine Weile hin und her, bis es zur ersten Kussszene kam.
„So reg dich, Holde, nicht, wie Heil’ge pflegen, Derweil mein Mund dir nimmt, was er erfleht.“ Das war der Moment, auf den das Publikum gewartet hatte.
Gabriel umfasste mit beiden Händen mein Gesicht und küsste mich. Es war ein Zusammenspiel von Süße und Sanftheit, während sich unsere Lippen für drei Sekunden berührten. Ich schmolz dahin in seinen Armen und löste mich japsend von ihm.
„So hat mein Mund zum Lohn sie für die Gunst?“, fragte ich. Er lächelte sein schönstes Lächeln.
Es kam zu einem zweiten Kuss, der genauso schön wie der erste war, ehe Benvolio ihn aus meinen Armen riss und mit ihm verschwand. Er sah mir verträumt nach, während er weggezogen wurde.
Meine Wärterin trat neben mich und ich blickte Gabriel hinter her.
„Geh, frage, wie er heißt. – Ist er vermählt, So ist das Grab zum Brautbett mir erwählt“, befahl ich der Wärterin, die Gabriel hinter her eilte.
Sie kam zurück und nannte mir seinen Namen. Verzweifelt sah ich sie an und wandte mich ab. Eine Hand drückte ich mir aufs Herz, ehe ich mich zum Publikum drehte und so viel Schmerz in meine Stimme legte, das es verdammt echt klang: „So einz’ge Lieb aus großem Hass entbrannt! Ich sah zu früh, den ich zu spät erkannt. O Wunderwerk! ich fühle mich getrieben, Den ärgsten Feind aufs zärtlichste zu lieben!“
Dann ging ich ab und der erste Akt war beendet.
Es regnete Applaus und mir wurde hinter der Bühne eine Flasche Wasser gereicht. Einige klopften mir auf die Schulter und beglückwünschten mich zu meiner Leistung. Paris kam an, der sich einen Ziegenbart angeklebt hatte und formell gekleidet war.
„Gut gemacht, Little Witch“, sagte er mit einem Grinsen. „Das sah täuschend echt aus.“ Mit einem Zwinkern wandte er sich ab und ich seufzte, wobei ich eine Beleidigung hinunterschluckte.
Ich ging in die Umkleide und wechselte das weiße Kleid zu einem blauen, das mein Schlafzeug darstellen sollte und dann kletterte ich auf den Balkon. Es wurde Zeit meine Lieblingsszene zu spielen.
Zuerst unterhielten sich Mercutio und Benvolio, als Gabriel verschwand und dann gingen sie ab. Mein Balkon wurde auf die Bühne geschoben und ich trat aus dem Schatten, als Gabriel sagte: „Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt.“
„Doch still, was schimmert durch das Fenster dort? Es ist der Ost und Julia die Sonne!“
Es ertönte ein tiefes Seufzen in der Menge, das mich zum Lächeln brachte. Auch mein Herz brachte er zum Schmelzen. Er rief mir noch einige Metaphern zu, ehe es zu meinem Auftritt kam.
„O Romeo!“, erwiderte ich verzweifelt. „warum denn Romeo? Verleugne deinen Vater, deinen Namen! Willst du das nicht, schwör dich zu meinem Liebsten, Und ich bin länger keine Capulet!“
„Hör ich noch länger, oder soll ich reden?“, fragte er mich.
Ich beugte mich über das Geländer und schaute ihn sehnsüchtig an, ehe ich mit weinerlicher, schmerzverzerrter Stimme antwortete: „Dein Name ist nur mein Feind. Du bliebst du selbst, Und wärst auch kein Montague. Was ist denn Montague?“
Mit einer ruckartigen Bewegung wandte ich mich ab und schniefte, während ich eine Träne dazu zwang über meine Wange zu kullern, ehe ich mich zurück zum Publikum und dementsprechend zu Gabriel wandte.
„Es ist nicht Hand, nicht Fuß, Nicht Arm noch Antlitz, noch ein anderer Teil Dem Menschen eigen“, fuhr ich zittern fort und trat wieder an das Geländer. „Oh, so heiße anders! – Was ist ein Name? Was uns Rose heißt, Wie es auch hieße, würde lieblich duften.“
Ich erzählte weiter und Gabriel trat näher, mit einem Lächeln auf dem Gesicht und verneigte sich anmutig.
„O Romeo, leg deinen Namen ab, Und für den Namen, der dein Selbst nicht ist, Nimm mein ganz!“, flehte ich und beugte mich über die Brüstung, sodass ich halb drüber lehnte.
Gabriels Hände griffen meine Taille und er hob mich mit Leichtigkeit hoch. Er hielt mich so und drehte sich mit mir Kreis, ehe er mich sanft zu Boden gleiten ließ und flüsterte: „Ich nehme dich beim Wort. Nenn Liebster mich, so bin ich neu getauft, Und will hinfort nicht Romeo mehr sein.“
So ging es weiter hin und her, bis es zum Ende unserer Szene kam und er mich zurück auf den Balkon hievte.
„Nun gute Nacht!“, sagte ich zu ihm und strich mir eine Strähne meines Haares zurück. „So süß ist Trennungswehe, Ich rief wohl gute Nacht, bis ich den Morgen sähe.“
Mit diesen Worten verschwand ich von der Bühne und hörte noch, wie Gabriel mir die letzten Worte Romeos hinter her rief. Hinter der Bühne herrschte helle Aufregung und Paris trat auf mich zu, der mir eine Wasserflasche reichte. Ich nahm einen kräftigen Schluck und ging dann wieder in die Umkleide, damit ich mein drittes Kleid an diesem Abend anziehen konnte.
Noch nie im meinem Leben hatte ich mich so wohl während eines Theaterstückes gefühlt.
Ich lag auf dem Boden meines Mausoleums und spielte tot. Neben mir kämpfte Gabriel mit Paris, der von Gabriel einen Dolch ins Herz gerammt bekam. Natürlich nicht wirklich, aber sinngemäß. An unserem Herzen, unter den Kleidern versteckt, trugen wir ein kleines Pflaster, das Kunstblut austreten ließ, wenn es von einem spitzen Gegenstand – wie Gabriels Plastikdolch – getroffen wurde. So kam es, das Paris neben mir zu Boden glitt und Gabriel neben mir auf die Knie fiel.
Tränen flossen über sein Gesicht und ich hätte nicht sagen können, ob sie echt oder unecht waren.
Er sprach Romeos berühmten Monolog und griff dabei nach meiner laschen Hand.
„Augen, blickt euer Letztes“, flüsterte er und strich mir mit dem Handrücken über die Wangen. „Arme, nehmt eine letzte Umarmung! und o Lippen, ihr, die Tore Des Odems, siegelt mit rechtmäß’gem Kusse Den ewigen Vertrag dem Wuchrer Tod.“
Zitterend hob er meinen Körper an und legte mich so, dass ich halb auf seinem Schoß lag und meinen Kopf gegen seine Schultern lehnen konnte. Er küsste mich und sein Kuss schmeckte salzig von den vielen Tränen, die er weinte. Er hielt mich in den Armen, während er die letzten Zeilen sprach und den Trank zu sich nahm.
Wir saßen zum Publikum gewandt und er sah sie an. Es kam mir vor, als wenn er jeden einzelnen von ihnen musterte und seine Präsenz füllte den ganzen Saal.
„O wackrer Apotheker! Dein Trank wirkt schnell. – Und so im Kusse sterb ich.“
Urplötzlich sackte er zusammen und ich fiel mit ihm um. Ich hörte, wie die Schauspieler von Lorenzo und Balthasar auf die Bühnen rannten und als Balthasar verschwand, blieb nur noch Lorenzo.
Ich begann mein Erwachen damit, dass meine Fingerspitzen zuckten, ehe ich meine Brust schnell hob und senkte. Langsam setzte ich mich auf und hielt meinen Kopf, ehe ich mich umblickte und Gabriel vor mir liegen sah. Tränen brannten in meinen Augen und ich strich liebevoll über sein Gesicht. Lorenzo verschwand und ich hörte den nahenden Lärm, den zwei Schüler machten.
„Geh nur, entweich!“, rief ich ihm hinter her. „denn ich will nicht von hinnen. – Was ist das hier? Ein Becher, festgeklemmt in meines Trauten Hand? Gift, seh ich, war Sein Ende vor der Zeit. – O Böser! Alles zu trinken, keinen güt’gen Tropfen mir Zu gönnen, der mich zu dir brächt?“
Der Lärm kam näher und ich ergriff Gabriels Dolch, der neben mir lag. Ich sprach noch die letzten Zeilen und seufzte.
„Wo ist es, Knabe? Führ uns“, hörte ich jemanden im Hintergrund sagen.
„O willkommner Dolch!“, rief ich. „Dies werde deine Scheide. Roste da, und lass mich sterben.“
Mit aller Kraft rammte ich mir den Dolch in die Magengrube und das Pflaster wurde aktiviert. Ich sank auf Gabriels Brust und nahm seine Hand, verschränkte unsere Finger miteinander.
Die Schauspieler der einzelnen Familien, also das Ehepaar Capulet und Graf Montague, traten zu uns und sprachen den letzten Polylog des Stückes. Der Prinz, verkörpert von einem großen Jungen mit dichtem Haar, hatte das letzte Wort: „Nur düstern Frieden bringt uns dieser Morgen; Die Sonne scheint, verhüllt vor Weh, zu weilen. Kommt, offenbart mir ferner, was verborgen: Ich will dann strafen oder Gnad erteilen; Denn niemals gab es ein so herbes Los als Juliens und ihres Romeos.“
Der Vorhang fiel und wir erhoben uns. Dann fielen wir alle einander in die Arme und beglückwünschten uns. Draußen herrschte immer noch Stille und ich hatte Angst, dass das Stück vielleicht doch nicht so gut angekommen war. Doch dann ertönte die ersehnte Welle des tosenden Applauses.
Wir verteilten uns hinter der Bühne und ich bekam ein neues Kleid, während die „weniger wichtigen“ Figuren hinaus aus die Bühne traten und sich beklatschten ließen. Eine Minute später war ich fertig und trat hinaus aus meiner Kabine. Ich ging den Weg zum linken Bühneneingang. Plötzlich packte mich jemand um die Taille und entführte mich in eine kleine Kammer.
„Gut gemacht“, flüsterte mir Gabriel ins Ohr und ich lehnte mich ein Stückchen zurück, um ihn besser mustern zu können. Sein Gesicht war leicht gerötet, aber er strahlte so unheimlich fröhlich, das ich ihm einen langen, schmatzenden Kuss gab.
Er seufzte und strich mir über den Rücken, ehe er mich enger an sich zog.
„Graf Paris und Prinz Escalus!“, kam es aus den Lautsprechern und wir lösten uns voneinander. Gleich kam unser Auftritt.
„Später“, versprach er mir mit einem wissenden Blick.
„Später“, bestätigte ich und rannte zum linken Bühneneingang.
Ich trat hinaus auf die Bühne, als ich meinen Namen hörte: „Und zu guter Letzt, das Herzstück Shakespeares: Romeo und seine Julia!“
Gabriel trat mir aus dem rechten Eingang entgegen und ich rannte auf ihn zu. Er hob mich wie bei der Balkonszene hoch und wirbelte mich im Kreis herum, ehe wir uns an die Hände fassten und uns vor das Publikum stellten, vor dem wir uns verbeugten.
Dabei trafen sich unsere Blicke und er grinste. Sein Versprechen lag in der Luft und seine Augen schienen diese drei bedeutenden Worte zu sagen.
Und ich antwortete es mit der gleichen glühenden Intensität. Nie in meinem Leben war ich glücklicher.
„Lampenfieber?“, ertönte hinter mir Paris‘ Stimme und ich drehte mich zu ihm herum.
„Ob ich was habe? Lampenfieber?“, lachte ich schrill. „Oh nein, ganz bestimmt nicht!“
„Du hast schon in viel volleren Theatern gespielt“, erwiderte mein Krieger und grinste mich dabei an.
„Ja, aber ich habe auch noch nie Liebesszenen mit einem Lehrer…“, setzte ich an und schaute zu Gabriel, der gerade aus der Umkleide kam.
Wie immer sah er einfach atemberaubend aus. Er hatte sich das blonde Haare zu einem Zopf zusammengebunden und trug ein weißes Hemd, das beinahe durchsichtig war und vermuten ließ, dass er darunter mehr als muskulös war. Ich wusste es natürlich besser, schließlich war er nicht nur mein Lehrer.
Ich spürte wie meine Wangen vor Verlegenheit anfingen zu glühen und wand mich zurück zu Paris. Na ganz toll, das fing ja super an.
„Tja, Little Witch“, antwortete Paris mit einem kecken Grinsen. „Viel Spaß.“ Er war mir einen zweideutigen Blick zu und wackelte mit den Augenbrauen. Paris war einer der wenigen, die von meiner Beziehung mit Gabriel Nyad wussten und liebte es diese nervigen Spitzen in meine Richtung zu verteilen.
„Wenn du nicht mein Krieger wärst und ich dich nicht über alles lieben würde, dann würde ich dir am liebsten eine scheuern“, sagte ich und knuffte ihn in die Seite.
Er lachte, wobei er den Kopf in den Nacken warf und sich den Bauch hielt.
„Da musst du erst mal ran kommen“, grinste er. „Schließlich überrag ich dich um anderthalb Köpfe.“
Ich ballte die Hand zur Faust und deutete spielerisch an, wie ich ihm einen Kinnhaken verpasste. Er taumelte zurück und hielt sich das Gesicht.
„Erbarmen, Erbarmen!“, rief er.
Unsere Rangelei weckte auch die Aufmerksamkeit von Gabriel, der auf uns zu kam und uns kritisch musterte. Dann sah er mich an und in seinen Augen stand so viel Liebe, das Schmetterlinge in meinem Bauch herumflatterten.
„Mr. Iapetus!“, schelte er ihn. „Auf Ihren Posten. Wir sind hier nicht zum Vergnügen, sondern zum arbeiten! Also hop, hop!“
Als Paris uns verlassen hatte, beugte er sich zu mir hinunter und flüsterte mit sanfter Stimme: „Aufgeregt?“
„Du hast ja keine Ahnung“, murmelte ich zurück und lehnte mich leicht zu ihm rüber. „Könntest du nicht ein bisschen hässlicher sein? Das würde mir die Sache wesentlich vereinfachen.“
Gabriel schnaubte amüsiert und strich mir eine Strähne meines rotbraunen Haares zurück, das sich aus der aufwendigen Hochsteckfrisur gelöst hatte.
„Ich hab mir dieses Aussehen nicht ausgesucht“, meinte er. „Ich wurde schon so geboren.“
Ich seufzte und rollte demonstrativ mit den Augen. Es ertönte ein Gong und wir lösten uns voneinander.
„Hop, hop, Professor“, wies ich ihn an. „Auf Ihren Posten. Es geht los!“
Er war mir diesen verführerischen Blick zu, der bedeutete, dass ich wohl nachher meine Abreibung für diesen frechen Kommentar kriegen würde. Ich zwinkerte und sagte: „Ich freue mich schon drauf.“
Ein paar Minuten später war ich auf meiner Position und beobachtete, wie sich der rote Vorhang hob. Es war, als könnte ich spüren, wie im gesamten Saal die Luft angehalten wurde. Ein Schüler mit braunen Haaren trat auf die Bühne und begann zu reden: „Zwei Häuser, gleich an Würde und Gebot, Euch in Verona unser Spiel entdeckt: Wie altem Hader neuer Hass entloht, Mit Bürgerblut sich Bürgerhand befleckt. Wie aus der Feinde unheilschwangerm Schoß – Unsternverfolgt – ein Liebespaar entspringt…“
Die weiße Wand, vor der der Schüler stand, wurde beleuchtet und man sah zwei Schatten, die einen Tanz aufführten, während der Junge weitersprach.
„Wollt Ihr es hör’n huldvollen Ohres – wisst: Wir bessern gern, was noch zu bessern ist!“
Mit diesen Worten wurde der rote Vorhang fallen gelassen und die Menge applaudierte. Der Schüler, dessen Namen Julius war, kam zu mir und lächelte. Seine Wanen waren feuerrot.
„Und wie war ich?“, fragte er atemlos.
„Super“, erwiderte ich und zeigte ihm den hochgestreckten Daumen. „Das war spitze!“
Währenddessen wurde die weiße Leinwand hochgezogen und das Bühnenbild des Marktes aufgestellt. Ich bereitete mich innerlich auf meinen Auftritt vor, aber es war noch Zeit. Erst einmal würden zwei weitere Szenen folgen.
Der Vorhang wurde wieder hochgelassen und zwei junge, gutaussehende Jungen traten auf. Sie spielten Simson und Gregorio, zwei Bedienstete der Capulets, die einen Streit mit zwei Dienern der Montagues anfingen. Es wurde ein Kampf auf der Bühne ausgeführt, ehe der Prinz auftrat. Und dann kam Gabriel. Er war einfach perfekt. Es kam mir vor, als wären die Worte Romeos nur so für ihn geschrieben wurden. Ich beobachtete ihn, wie er die Bühne für sich einnahm und musste lächeln. Ein vergeudetest Talent. So ging es weiter hin und her, bis ich zu meiner ersten Szene kam.
Die Wärterin, verkörpert von einem Mädchen mit rotem Haar, rief: „He, Lämmchen! zartes Täubchen! Dass Gott! wo ist das Kind? he, Juliette?“
Ich ging gemäßen Schrittes auf die Bühne, ignorierte dabei das helle Strahlen der Scheinwerfer und sah mich um. Dann fragte ich: „Was ist? Wer ruft mich?“
Im Publikum ging ein Gemurmel herum, als ich auftrat. Wir hatten es geheim gehalten, wer welche Rolle spielte und so musste es für die Zuschauer ziemlich überraschend sein, mich auf der Bühne zu sehen. Mich als Julia Capulet.
Es war die Szene, in der die Gräfin Julia erzählte, das Graf Paris, verkörpert von – wie konnte es auch anders sein? – Paris, Julia versuchte zu umgarnen. Es war eine recht langweilige Szene, aber sie erfüllte ihren Zweck und schließlich kam es zur bedeutendsten Szene des ersten Aktes.
Ich stand – gekleidet in einem schönen, weißen Kleid und einer Maske auf dem Gesicht, die mein halbes Gesicht verdeckte und meine Lippen frei ließ – in einer Ecke und beobachtete das rege Treiben auf der Bühne, wo drei Pärchen tanzten. Es war der Ball von Graf Capulet, auf dem Gabriel/Romeo mich zum ersten Mal sehen würde.
Und dann vernahm ich seine zärtliche, liebliche Stimme neben mir: „Entweihet meine Hand verwegen dich, O Heil’genbild, so will ich’s lieblich büßen. Zwei Pilger, neigen meine Lippen sich, Den herben Druck im Kusse zu versüßen.“
Mein Blick glitt auf ihn und ich sah den verzauberten Gesichtsausdruck, mit dem er mich anschaute. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen und ich wand scheu den Blick ab.
„Nein, Pilger, lege nichts der Hand zuschulden“, erwiderte ich und schaute wieder zurück zu ihm. „Für ihren sittsam-andachten Gruß.“
So ging es eine Weile hin und her, bis es zur ersten Kussszene kam.
„So reg dich, Holde, nicht, wie Heil’ge pflegen, Derweil mein Mund dir nimmt, was er erfleht.“ Das war der Moment, auf den das Publikum gewartet hatte.
Gabriel umfasste mit beiden Händen mein Gesicht und küsste mich. Es war ein Zusammenspiel von Süße und Sanftheit, während sich unsere Lippen für drei Sekunden berührten. Ich schmolz dahin in seinen Armen und löste mich japsend von ihm.
„So hat mein Mund zum Lohn sie für die Gunst?“, fragte ich. Er lächelte sein schönstes Lächeln.
Es kam zu einem zweiten Kuss, der genauso schön wie der erste war, ehe Benvolio ihn aus meinen Armen riss und mit ihm verschwand. Er sah mir verträumt nach, während er weggezogen wurde.
Meine Wärterin trat neben mich und ich blickte Gabriel hinter her.
„Geh, frage, wie er heißt. – Ist er vermählt, So ist das Grab zum Brautbett mir erwählt“, befahl ich der Wärterin, die Gabriel hinter her eilte.
Sie kam zurück und nannte mir seinen Namen. Verzweifelt sah ich sie an und wandte mich ab. Eine Hand drückte ich mir aufs Herz, ehe ich mich zum Publikum drehte und so viel Schmerz in meine Stimme legte, das es verdammt echt klang: „So einz’ge Lieb aus großem Hass entbrannt! Ich sah zu früh, den ich zu spät erkannt. O Wunderwerk! ich fühle mich getrieben, Den ärgsten Feind aufs zärtlichste zu lieben!“
Dann ging ich ab und der erste Akt war beendet.
Es regnete Applaus und mir wurde hinter der Bühne eine Flasche Wasser gereicht. Einige klopften mir auf die Schulter und beglückwünschten mich zu meiner Leistung. Paris kam an, der sich einen Ziegenbart angeklebt hatte und formell gekleidet war.
„Gut gemacht, Little Witch“, sagte er mit einem Grinsen. „Das sah täuschend echt aus.“ Mit einem Zwinkern wandte er sich ab und ich seufzte, wobei ich eine Beleidigung hinunterschluckte.
Ich ging in die Umkleide und wechselte das weiße Kleid zu einem blauen, das mein Schlafzeug darstellen sollte und dann kletterte ich auf den Balkon. Es wurde Zeit meine Lieblingsszene zu spielen.
Zuerst unterhielten sich Mercutio und Benvolio, als Gabriel verschwand und dann gingen sie ab. Mein Balkon wurde auf die Bühne geschoben und ich trat aus dem Schatten, als Gabriel sagte: „Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt.“
„Doch still, was schimmert durch das Fenster dort? Es ist der Ost und Julia die Sonne!“
Es ertönte ein tiefes Seufzen in der Menge, das mich zum Lächeln brachte. Auch mein Herz brachte er zum Schmelzen. Er rief mir noch einige Metaphern zu, ehe es zu meinem Auftritt kam.
„O Romeo!“, erwiderte ich verzweifelt. „warum denn Romeo? Verleugne deinen Vater, deinen Namen! Willst du das nicht, schwör dich zu meinem Liebsten, Und ich bin länger keine Capulet!“
„Hör ich noch länger, oder soll ich reden?“, fragte er mich.
Ich beugte mich über das Geländer und schaute ihn sehnsüchtig an, ehe ich mit weinerlicher, schmerzverzerrter Stimme antwortete: „Dein Name ist nur mein Feind. Du bliebst du selbst, Und wärst auch kein Montague. Was ist denn Montague?“
Mit einer ruckartigen Bewegung wandte ich mich ab und schniefte, während ich eine Träne dazu zwang über meine Wange zu kullern, ehe ich mich zurück zum Publikum und dementsprechend zu Gabriel wandte.
„Es ist nicht Hand, nicht Fuß, Nicht Arm noch Antlitz, noch ein anderer Teil Dem Menschen eigen“, fuhr ich zittern fort und trat wieder an das Geländer. „Oh, so heiße anders! – Was ist ein Name? Was uns Rose heißt, Wie es auch hieße, würde lieblich duften.“
Ich erzählte weiter und Gabriel trat näher, mit einem Lächeln auf dem Gesicht und verneigte sich anmutig.
„O Romeo, leg deinen Namen ab, Und für den Namen, der dein Selbst nicht ist, Nimm mein ganz!“, flehte ich und beugte mich über die Brüstung, sodass ich halb drüber lehnte.
Gabriels Hände griffen meine Taille und er hob mich mit Leichtigkeit hoch. Er hielt mich so und drehte sich mit mir Kreis, ehe er mich sanft zu Boden gleiten ließ und flüsterte: „Ich nehme dich beim Wort. Nenn Liebster mich, so bin ich neu getauft, Und will hinfort nicht Romeo mehr sein.“
So ging es weiter hin und her, bis es zum Ende unserer Szene kam und er mich zurück auf den Balkon hievte.
„Nun gute Nacht!“, sagte ich zu ihm und strich mir eine Strähne meines Haares zurück. „So süß ist Trennungswehe, Ich rief wohl gute Nacht, bis ich den Morgen sähe.“
Mit diesen Worten verschwand ich von der Bühne und hörte noch, wie Gabriel mir die letzten Worte Romeos hinter her rief. Hinter der Bühne herrschte helle Aufregung und Paris trat auf mich zu, der mir eine Wasserflasche reichte. Ich nahm einen kräftigen Schluck und ging dann wieder in die Umkleide, damit ich mein drittes Kleid an diesem Abend anziehen konnte.
Noch nie im meinem Leben hatte ich mich so wohl während eines Theaterstückes gefühlt.
Ich lag auf dem Boden meines Mausoleums und spielte tot. Neben mir kämpfte Gabriel mit Paris, der von Gabriel einen Dolch ins Herz gerammt bekam. Natürlich nicht wirklich, aber sinngemäß. An unserem Herzen, unter den Kleidern versteckt, trugen wir ein kleines Pflaster, das Kunstblut austreten ließ, wenn es von einem spitzen Gegenstand – wie Gabriels Plastikdolch – getroffen wurde. So kam es, das Paris neben mir zu Boden glitt und Gabriel neben mir auf die Knie fiel.
Tränen flossen über sein Gesicht und ich hätte nicht sagen können, ob sie echt oder unecht waren.
Er sprach Romeos berühmten Monolog und griff dabei nach meiner laschen Hand.
„Augen, blickt euer Letztes“, flüsterte er und strich mir mit dem Handrücken über die Wangen. „Arme, nehmt eine letzte Umarmung! und o Lippen, ihr, die Tore Des Odems, siegelt mit rechtmäß’gem Kusse Den ewigen Vertrag dem Wuchrer Tod.“
Zitterend hob er meinen Körper an und legte mich so, dass ich halb auf seinem Schoß lag und meinen Kopf gegen seine Schultern lehnen konnte. Er küsste mich und sein Kuss schmeckte salzig von den vielen Tränen, die er weinte. Er hielt mich in den Armen, während er die letzten Zeilen sprach und den Trank zu sich nahm.
Wir saßen zum Publikum gewandt und er sah sie an. Es kam mir vor, als wenn er jeden einzelnen von ihnen musterte und seine Präsenz füllte den ganzen Saal.
„O wackrer Apotheker! Dein Trank wirkt schnell. – Und so im Kusse sterb ich.“
Urplötzlich sackte er zusammen und ich fiel mit ihm um. Ich hörte, wie die Schauspieler von Lorenzo und Balthasar auf die Bühnen rannten und als Balthasar verschwand, blieb nur noch Lorenzo.
Ich begann mein Erwachen damit, dass meine Fingerspitzen zuckten, ehe ich meine Brust schnell hob und senkte. Langsam setzte ich mich auf und hielt meinen Kopf, ehe ich mich umblickte und Gabriel vor mir liegen sah. Tränen brannten in meinen Augen und ich strich liebevoll über sein Gesicht. Lorenzo verschwand und ich hörte den nahenden Lärm, den zwei Schüler machten.
„Geh nur, entweich!“, rief ich ihm hinter her. „denn ich will nicht von hinnen. – Was ist das hier? Ein Becher, festgeklemmt in meines Trauten Hand? Gift, seh ich, war Sein Ende vor der Zeit. – O Böser! Alles zu trinken, keinen güt’gen Tropfen mir Zu gönnen, der mich zu dir brächt?“
Der Lärm kam näher und ich ergriff Gabriels Dolch, der neben mir lag. Ich sprach noch die letzten Zeilen und seufzte.
„Wo ist es, Knabe? Führ uns“, hörte ich jemanden im Hintergrund sagen.
„O willkommner Dolch!“, rief ich. „Dies werde deine Scheide. Roste da, und lass mich sterben.“
Mit aller Kraft rammte ich mir den Dolch in die Magengrube und das Pflaster wurde aktiviert. Ich sank auf Gabriels Brust und nahm seine Hand, verschränkte unsere Finger miteinander.
Die Schauspieler der einzelnen Familien, also das Ehepaar Capulet und Graf Montague, traten zu uns und sprachen den letzten Polylog des Stückes. Der Prinz, verkörpert von einem großen Jungen mit dichtem Haar, hatte das letzte Wort: „Nur düstern Frieden bringt uns dieser Morgen; Die Sonne scheint, verhüllt vor Weh, zu weilen. Kommt, offenbart mir ferner, was verborgen: Ich will dann strafen oder Gnad erteilen; Denn niemals gab es ein so herbes Los als Juliens und ihres Romeos.“
Der Vorhang fiel und wir erhoben uns. Dann fielen wir alle einander in die Arme und beglückwünschten uns. Draußen herrschte immer noch Stille und ich hatte Angst, dass das Stück vielleicht doch nicht so gut angekommen war. Doch dann ertönte die ersehnte Welle des tosenden Applauses.
Wir verteilten uns hinter der Bühne und ich bekam ein neues Kleid, während die „weniger wichtigen“ Figuren hinaus aus die Bühne traten und sich beklatschten ließen. Eine Minute später war ich fertig und trat hinaus aus meiner Kabine. Ich ging den Weg zum linken Bühneneingang. Plötzlich packte mich jemand um die Taille und entführte mich in eine kleine Kammer.
„Gut gemacht“, flüsterte mir Gabriel ins Ohr und ich lehnte mich ein Stückchen zurück, um ihn besser mustern zu können. Sein Gesicht war leicht gerötet, aber er strahlte so unheimlich fröhlich, das ich ihm einen langen, schmatzenden Kuss gab.
Er seufzte und strich mir über den Rücken, ehe er mich enger an sich zog.
„Graf Paris und Prinz Escalus!“, kam es aus den Lautsprechern und wir lösten uns voneinander. Gleich kam unser Auftritt.
„Später“, versprach er mir mit einem wissenden Blick.
„Später“, bestätigte ich und rannte zum linken Bühneneingang.
Ich trat hinaus auf die Bühne, als ich meinen Namen hörte: „Und zu guter Letzt, das Herzstück Shakespeares: Romeo und seine Julia!“
Gabriel trat mir aus dem rechten Eingang entgegen und ich rannte auf ihn zu. Er hob mich wie bei der Balkonszene hoch und wirbelte mich im Kreis herum, ehe wir uns an die Hände fassten und uns vor das Publikum stellten, vor dem wir uns verbeugten.
Dabei trafen sich unsere Blicke und er grinste. Sein Versprechen lag in der Luft und seine Augen schienen diese drei bedeutenden Worte zu sagen.
Und ich antwortete es mit der gleichen glühenden Intensität. Nie in meinem Leben war ich glücklicher.